«Zurück zur Blogübersicht«

Corona-Rassismus

Autor*in: Dirk
3 Minuten
Corona-Rassismus

In Krisenzeiten zeigt sich leider nicht nur das Gute im Menschen, wie die vielen Beispiele von solidarischer Nachbarschaftshilfe, auch die dunklen Seiten werden deutlicher. Rassistische und antisemitische Stereotypen haben Konjunktur.

Zunächst mussten Menschen mit einer asiatischen Familiengeschichte vermehrt rassistische Diskriminierungen erleben. Sie wurden beschimpft, beleidigt, bedroht, geschlagen. Dann wurde ein uraltes Feindbild wieder aus der Mottenkiste geholt: Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Klein bezeichnete Antisemitismus als zentrales Bindeglied der Corona-Proteste (DLF 24.11.20):

„Judenhass ist im Zuge der Corona-Pandemie weiter angestiegen. In vielen Kreisen ist er wieder gesellschaftsfähig geworden. Und er verbindet bei den Protesten gegen die Infektionsschutzmaßnamen politische Milieus, die vorher wenig oder gar keine Berührungspunkte hatten. Und das ist wirklich neu.“

Der ehemalige nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) machte Arbeiter:innen aus Rumänien und Bulgarien für den Corona-Ausbruch in einem Fleischbetrieb verantwortlich. Laschet wurde wegen einiger Lockerungen in der Pandemie befragt und erklärte am 17.06.20:

„Das sagt überhaupt nichts aus, weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da das Virus herkommt. Das wird überall passieren. Wir haben in ganz Deutschland ähnliche Regelungen.“

Später versuchte er seine Aussage zu relativieren, aber das blieb hängen.

Wenn gehetzt wird, ist BILD nicht fern (05.03.21):

„UNNATÜRLICH HOHER ANTEIL VON INTENSIVPATIENTEN MIT MIGRATIONSHINTERGRUND“ und weiter „Die Bundesregierung ist offenbar damit gescheitert, ihre Corona-Strategie auch jenen Menschen verständlich zu machen, die nur wenig oder gar kein Deutsch sprechen.“

BILD berichtete zudem, dass der Leiter des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, aus Angst vor Rassismusvorwürfen befürchte, die hohe Zahl von Corona-Erkrankten unter Menschen mit Migrationshintergrund würde tabuisiert. Also frei nach dem Motto: „Heute darf man ja nichts mehr sagen“. In einem Onlinegespräch hätten Intensivmediziner geäußert, dass bis zu 90 Prozent ihrer Patienten einen Migrationshintergrund hätten – und dass sprachliche Barrieren den Umgang mit den Erkrankten, aber auch die Prävention erschweren würden. „Da sind Parallelgesellschaften mitten in unserem Land. Wenn man dort etwas ausrichten will, klappt das nur mit beinharter Sozialarbeit in den Moscheen. Und da kommen wir nicht rein. Und das ist Mist“, soll RKI Leiter Wieler gesagt haben. Das RKI erklärte später, es habe sich um eine private Besprechung gehandelt, Gedanken seien aus dem Zusammenhang gerissen worden, und es habe sich nur um Erfahrungen aus drei Krankenhäusern gehandelt. Da konnte sich auch WZ-Chefredakteur Lothar Leuschen nicht mehr zurückhalten. In der WZ am 20. März 2021 meinte er, dass „Städte mit einer vielfältigeren Einwohnerschaft im Nachteil seien“. Der Verdacht liege sehr nahe, „dass die Zahl der Infizierten mit der Struktur der Bevölkerung in einem Zusammenhang steht.“  Grund seien mehr „bildungsfernere Familien mit höheren „Verständnisbarrieren“, die sich nicht an die Pandemieregeln halten.

Während ich dies schreibe, geht folgende Meldung durch die Presse:

"Corona-Party in Köln: Polizei löst illegale Feier auf – Teilnehmer waren hauptsächlich Lehrer und Mediziner".

Ein paar Tage zuvor, am 03.04.21, durfte man bei der Stuttgarter Leerdenker-Demo eine Parallelgesellschaft bewundern. Tausende, den Fernsehberichten zufolge doch eher Biodeutsche, ohne Schutzmaske, dicht gedrängt, Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretiker, Nazihooligans und besorgte Bürger, mit gewaltigen Verständnisbarrieren, die vor vielem Angst haben, nur nicht vor dem Nazi, der neben ihnen läuft.

Corona trifft nicht alle gleich, das stimmt.

Menschen in prekären Lebenslagen, und dazu gehören leider viele Menschen mit internationaler Familiengeschichte, leben zumeist in beengten Verhältnissen, können sich mangels eigenem Fahrzeug häufig nicht dafür entscheiden, den ÖPNV zu meiden und arbeiten in Jobs, die relativ ungeeignet fürs Homeoffice sind. Sie sind im Gesundheitsdienst tätig, im Verkaufsbereich, im Auslieferdienst und in der Produktion, haben viel Kontakt zu anderen und selten ein Einzelbüro. Aufgrund ihrer Lebensumstände haben sie nicht selten gesundheitliche Vorbelastungen.

Ihre Gefahr sich zu infizieren ist also deutlich höher. Umso wichtiger: Solidarität, gerade in Corona-Zeiten.

  

© Foto: PRO ASYL / pixabay.com