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Struktureller Rassismus – eine Auseinandersetzung

Autor*in: Stephanie
3 Minuten
Struktureller Rassismus – eine Auseinandersetzung

In der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit Rassismus hat sich der Fokus erweitert: Anstatt rassistisches Denken und Verhalten nur „in der rechten Ecke“ zu suchen, geht es nun darum, wie es sich in der gesamten Gesellschaft und damit in jedem Einzelnen von uns findet. Es wird Zeit, vor der eigenen Tür zu kehren!

So ruft Samit Omar dazu auf, sich selbst zu hinterfragen, in welchen Bezügen uns Diskriminierung im Alltag begegnet und in welchen Situationen wir dazu beitragen, dass sie sich fortsetzt. Dazu braucht es weit mehr als Mitgefühl mit Opfern von rassistischer Gewalt auszudrücken, eine zu starke Betonung von Opfernarrativen könne sogar Rollenzuschreibungen von Ohnmacht und Unterlegenheit verfestigen. Vielmehr gelte es, die Machtstrukturen offenzulegen, in denen sich Rassismus auf individueller, institutioneller und struktureller Ebene fortschreibt. 

Rassismus als Ideologie geht bereits zurück auf die Zeit der Aufklärung, Philosophen wie Kant und Hegel sprachen sich zwar für die Freiheit und Würde des (weißen) Menschen aus, betonten jedoch eine Hierarchie der Rassen, mit Europäer:innen in überlegener Stellung und Schwarzafrikaner:innen an unterster Position. Angefangen vom Kolonialismus bis zu heutigen Erscheinungen globaler Ungerechtigkeiten profitieren weiße Menschen von den bestehenden Machtstrukturen, indem sie wirtschaftlich und politisch dominieren und deutlich mehr Zugang zu Ressourcen haben.

Omar hebt folgende Bestandteile der rassistischen Ideologie hervor:

1. Animalisierung → Behauptung von biologischen, genetischen Unterschieden mit entsprechender Abwertung, Einstufung in die Nähe von Affen.

2. Infantilisierung → Darstellung indigener und schwarzer Menschen als naiv, unreif, kulturell rückständig. Rechtfertigung für (gewaltsame) „Zivilisierung“.

3. Übergeneralisierung → ganze Menschengruppen werden definiert, ohne die Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen zu berücksichtigen. Erlaubt, Menschen anhand von äußeren Merkmalen auszugrenzen.

Über Jahrhunderte hat sich dieses Denken verfestigt, weit über offensichtlich rassistische Aussagen und Handlungen hinaus. Deshalb kaschiert ein ausschließlich nach außen zur Schau getragener Antirassismus nur die tieferliegenden Strukturen, sorgt mehr dafür, das Gewissen weißer Menschen zu beruhigen als für einen wirklichen Wandel. Omar nennt als Beispiele hierfür plakative, aber möglicherweise inhaltlsleere Kampagen wie „Schule ohne Rassismus“ oder die Darstellung von Vielfalt als Konsumgut in Populärkultur, Unternehmens-PR und Werbung. 

Dagegen sei es entscheidend, dem Rassismus in der alltäglichen Lebenswelt entschieden entgegen zu treten. So liefen südländische und schwarze Menschen Gefahr, bei Ärztinnen und Ärtzten mit ihren Symptomen nicht ernst genommen zu werden, ihnen werde mit dem zynischen Begriff „Morbus Mediterranae“ unterstellt, ihre Leiden zu übertreiben oder zu simulieren. Außerdem fordert er zu größter Vorsicht bei der Frage nach der Herkunft eines Gegenübers auf, denn die scheinbar harmlose Frage „Woher kommst du denn eigentlich?“ beinhaltet, dass er nicht dazu gehört und lediglich ein Objekt der Neugierde ist. Wahres Interesse an einem anderen Menschen zeige sich vielmehr darin, mit der Frage „Was brauchst du gerade?“ auf dessen Bedürfnisse einzugehen.

Sich selbst zu reflektieren und solchen rassistischen Äußerungen und Handlungen entschieden entgegen zu treten, ist aus Omars Sicht eine kategorische Verpflichtung. Schließlich sei in der Demokratie die Mehrheit ein Protektorat für die Minderheit und gehe dem Ideal nach von der Gleichheit und Einzigartigkeit aller Menschen aus.

Das Webinar fand im Rahmen der Internationalen Woche gegen Rassismus 2021 statt. Veranstalter: AIDS-Hilfe Wuppertal, Remscheid Tolerant, Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz, Kommunales Integrationszentrum Wuppertal.

Buchempfehlung:

Tupoka Ogette: exit Racism. Rassismuskritisch denken lernen.

Homepage des Referenten Sami Omar:

https://sami-omar.de/


© Foto: Gerd Altmann auf Pixabay