«Zurück zur Blogübersicht«

Rassismus als Demokratiegefährdung

Autor*in: Stephanie
5 Minuten
Rassismus als Demokratiegefährdung

„Rassismus – damit habe ich als überzeugte Demokrat:in nichts zu tun! Das ist Sache von Neonazis, AfD, Pegida, Identitären und anderen Menschenfeind:innen und Ewiggestrigen, davon grenze ich mich entschieden ab!“ Mit dieser Illusion räumt Diren Yeşil, Antirassismus-Trainerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Bergischen Universität Wuppertal, in ihrem Workshop gründlich auf. Sie macht deutlich, dass Rassismus uns alle betrifft, wie er tief verwoben ist in unserer Geschichte, unserem Weltbild, unserem sozialen und alltäglichen Handeln. Rassismus begegnet uns überall, in uns und um uns herum!

Dass Yeşil in ihr Webinar interaktive Elemente einbaut, lädt die Zuhörenden dazu ein, aktiv mitzudenken und sich einzufühlen. So beginnt sie mit einem eindrücklichen Bild dafür, wie der Rassismus in unserer Gesellschaft verankert ist. Dazu fordert sie auf, sich den Rassismus als ein Haus vorzustellen, erfragt welche Ideen dazu kommen, was das Fundament, die Wände und das Dach dieses ideologischen Gebäudes sein könnten.

Die Statik des Hauses ist getragen von rassistisch geprägten Darstellungen in den Medien, in Kunst und Kultur. Die Wände bilden die gesellschaftlichen Praktiken, mit denen der Rassismus über Jahrhunderte hinweg bis in die heutige Zeit fortgetragen wurde. Eine wesentliche Rolle kommt dem Dach zu, dem Diskurs in Wissenschaft und Politik, mit dem Rassismus legitimiert wird. Die rassistische Ideologie behauptet, dass sich Menschengruppen je nach ihrer Herkunft genetisch nachweislich voneinander unterscheiden, und zwar nicht nur in ihrem Aussehen, sondern auch in ihren Charaktereigenschaften. Dies erlaubt, Menschen zu kategorisieren, sie als „anders“ und minderwertig zu markieren, mit dem Ziel Privilegien zu erlangen bzw. zu erhalten und Macht auszuüben. Entstanden ist das Konstrukt in den Zeiten des Kolonialismus, um die Unterdrückung und Ausbeutung schwarzer, asiatischer und indigener Menschen durch weiße, europäisch-stämmige Menschen zu rechtfertigen.

Letztendlich hat das Haus eine Inneneinrichtung, bestehend aus den konkreten Ereignissen und Objekten, in denen sich der Rassismus gestern und heute verwirklicht.

Doch wie kann dieses hässliche Haus zu Fall gebracht werden? Yeşil argumentiert, dass bereits das wache Bewusstsein für seine Existenz und das Erfassen seiner Struktur eine Basis dafür ist, ihm die Stabilität zu nehmen. Eine einfache, schnelle Lösung gibt es jedoch nicht, sondern es bedeutet einen mühevollen, langsamen Weg.

Ein entscheidendes, bis heute umfassend wirksames Moment des Rassismus ist Othering, also das oben beschriebene Herausstellen der Unterschiede. Es kann sich in vermeintlich harmlosen Fragen äußern wie „Woher kommst du denn wirklich?“, die für Betroffene in ihrer Häufigkeit sehr belastend und verletzend sein können. Struktureller Rassismus wirkt bis tief in die Institutionen herein und beeinflusst umfassend die Biografien von BIPoC1. Ein Beispiel dafür ist die ungerechte Bewertung der Leistungen von Schüler:innen aufgrund ihres „ausländisch“ klingenden Namens. Yeşil berichtet aus eigener Erfahrung, dass Eltern sich genau überlegen, ihren Kindern Namen zu geben, die sich „deutsch“ anhören oder die in deutscher Sprache zumindest leicht zu schreiben und auszusprechen sind. Die Reihe lässt sich fortsetzen in allen Lebensbereichen wie Racial Profiling, Benachteiligung bei der Wohnungs-und Stellensuche, kein gleichwertiger Zugang zu Ämtern oder medizinischer Hilfe, Unterrepräsentation in Behörden, Politik und Unternehmen.

An dieser Stelle entfaltet Rassismus sein Demokratie-gefährdendes Potenzial: Demokratie gründet sich auf der Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe, Herkunft und Kultur. Sie verspricht den Schutz von Minderheiten. Im Mittelpunkt steht, dass jeder einzelne Mensch als Subjekt geschützt und anerkannt ist und seine Potenziale im Rahmen der Gesetze frei entfalten kann.

Von diesem Ideal sind die westlichen Demokratien meilenweit entfernt. Ungleichbehandlung aus rassistischen und vielen anderen Gründen sind auf struktureller und individueller Ebene an der Tagesordnung. Ebenso dauern die Ungerechtigkeiten aus den Zeiten des Imperialismus und der Sklaverei bis heute an, wenn auch in weniger offensichtlicher Form wie bei ausbeuterischem Welthandel zu Lasten der Länder des globalen Südens, paternalisischen (bevormundenden) Konzepten von Entwicklungshilfe oder Militäreinsätzen.

Dabei sei nicht zu vergessen, dass es wenig Sinn macht, nur mit dem Finger auf „das böse System“ zu zeigen. Egal wo wir mit Menschen zusammentreffen, sei es im Privaten, bei der Arbeit oder in der Rolle als politisch Aktive, gilt es unser eigenes Denken und Handeln stetig zu hinterfragen, in unserem eigenen Umfeld rassistische Strukturen zu benennen und Raum zu schaffen für die Selbstermächtigung und Repräsentation (Empowerment) von BIPoC – auch wenn es unbequem ist, sich dabei selbst zu reflektieren und mitunter eigene Privilegien zurückzustellen.

Wir alle sind Teil des Problems „Rassismus“ und ja, wir können auch Teil der Lösung, zur Überwindung von Rassismus sein!

Das Webinar fand statt in der Bildungsreihe „Fight for Democracy – Wir sagen Nein zu Verschwörungsdenken und Rassismus, Rechtspopulismus, Hass und Hetze“ dessen Projektträger das Falken Bildungs- und Freizeitwerks Bergisch Land e.V. ist. An dem Projekt sind folgende Institutionen/Gruppen aus Wuppertal und Solingen beteiligt:

Aufstehen gegen Rassismus; Bildungs- und Gedenkstätte Max-Leven-Zentrum Solingen e.V.; die Börse Kommunikationszentrum Wuppertal; Falken Bildungs- und Freizeitwerk Bergisch Land e.V.; Informationsbüro Nicaragua e.V.; Institut für Demokratie- und Partizipations-forschung (IDPF) an der Bergischen Universität Wuppertal; KiTma e.V., Power of Color, Seebrücke Wuppertal; Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken Bergisch Land; VVN/BdA Solingen; VVN/BdA Wuppertal; Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz e.V.

Das Projekt wird finanziert u.a. aus Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie Leben!“ (www.demokratie-leben.de) und des Landesprogramms „NRWeltoffen“. Alle Infos zum Veranstalterkreis, den weiteren Terminen und den Teilnahmebedingungen findet ihr unter (http://fight4democracy.de). Hinweis: „Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ oder des BAFzA dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autorinnen und Autoren die Verantwortung.“


© Foto: http://fight4democracy.de


1Das Kürzel BIPoC steht für Black, Indigenous, Poeople of Color